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Meine Dissertation habe ich zur Rolle von Mobile Apps in der Reduktion von Food Waste verfasst. Für ‘The Sociological Review’ durfte ich einen Artikel basierend auf einem meiner empirischen Kapitel für ihre Ausgabe zum Thema Abfall schreiben. Dabei ging ich der Frage nach:

Do surplus food apps really keep still-fresh sandwiches out of the bin?

Ich bin in einer Wohnung in einer der grösseren Städte der Schweiz. Amy, eine Frau in den frühen Dreissigern, zeigt mir ihren Kühlschrank nach einer Abholung durch die App Too Good To Go. Beschämt zeigt sie auf drei verfaulte Zitronen, die von einer früheren Abholung stammen und ganz unten in der Gemüseschublade liegen. Sie hat sie schon seit langem. Anstatt den schönen Obstkorb zu genießen, den sie sich bei der Bestellung einer Überraschungstüte über die App erhofft hatte, musste sie zehn Zitronen vor dem Verrotten bewahren. Zwei davon hat sie an jemanden in ihrem Büro verschenkt und einige in Getränken verwendet, aber einige musste sie trotzdem wegwerfen, weil sie bereits verschimmelt waren.

Too Good To Go - sinnbildlich für eine Vielzahl von Apps - behauptet, dass durch ihre Lösung Lebensmittelabfälle vermeidet werden. Ich nehme eine Gegenposition ein und sage, dass es sich nicht um Abfall handelt, sondern lediglich um überschüssige Lebensmittel, die über die App den Besitz wechseln. Durch diese Änderung werden die Nutzenden dafür verantwortlich gemacht, was mit den Lebensmitteln geschieht, die von der Plattform bereits als “gerettet“ gekennzeichnet wurden. Dabei werden die Nutzenden jedoch nur als Käufer:innen, nicht als Esser:innen betrachtet. Während Käufer:innen zehn Zitronen “gerettet“ haben, wurden sie vor die grosse Herausforderung gestellt, zehn Zitronen (oder einen ähnlichen Packungsinhalt) zu verbrauchen woran sie oftmals scheitern. Das Konzept, das mir hilft, dieses Argument zu formulieren, ist der Prozess von „Lebensmitteln“ zu „Abfall“ von David Evans (2014, S. 92). Dieses Konzept ist ein Meilenstein in der Erforschung der Lebensmittelverschwendung in Haushalten; meines Wissens wurde es jedoch noch nicht verwendet, um den sich verändernden Prozess aufgrund eines neuen Akteurs - der Mobiltelefon-Apps - zu verstehen, was ich mit diesem Artikel ändern möchte. Dabei argumentiere ich, dass der Prozess, bei dem “Lebensmittel“ zu “Abfall“ werden, durch Apps neu konfiguriert werden, und damit wird die Verantwortung und manchmal auch das Scheitern, zu verhindern, dass Lebensmittel zu Abfall werden, an die Verbrauchenden ausgelagert.

Hier geht es zum Artikel (nur EN verfügbar).

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